Generation Y

Generationsunterschiede: ein Vergleich

Anna-Leena Haarkamp, Expertin für Digitalen Wandel und Digital Native, hat sich mit der Fragestellung beschäftigt, wie unterschiedlich verschiedene Generationen tatsächlich sind und was das für ihre Führung bedeutet. Sie kam zu einem unerwarteten Ergebnis.

Der Mythos «Generation Y»

Ob Pop-Literatur, Auftragsstudien aus der Wirtschaft, Fachzeitschriften oder wissenschaftliche Veröffentlichungen – unermüdlich und voller Enthusiasmus wird über sie geschrieben, die Generation Y.

Im Vergleich zu anderen Generationen:

  • besitze sie eine völlig übertriebene Ich-Bezogenheit
  • habe sie extrem hohe Erwartungen an den Job 
  • stünden sinnstiftende Tätigkeit und die Selbstverwirklichung im Vordergrund
  • habe sie einen großen Freiheitsdrang - doch gleichzeitig wird von einem erschütterten Sicherheitsgefühl berichtet
  • suche sie das heimische Idyll
  • sei sie verwöhnt, faul und gleichzeitig karriereorientiert
  • habe sie eine erhöhte wirtschaftliche Sorge und zugleich sei Geld weniger wichtig
  • fordere sie Flexibilität, jedoch sei ihre «Loyalität geringer als zur Turnschuhmarke»

Mein absolutes Highlight, ich habe herzhaft gelacht: «Ypsiloner [wünschen sich] subtile Farben und natürliches Licht. Farbnuancen in entspannten Aquamarinblau- und Grüntönen sind beliebter als grelle, bunte Farben.» (Quelle: Parment, Anders. 2013)

Wir sehen: die Zuschreibungen, was diese Generation auszeichnet sind absolut vielfältig. Oft gegensätzlich. Ich möchte Sinn von Unsinn unterscheiden und will wissen: was ist nun dran an diesen Zuschreibungen und Vorwürfen? Was hat Substanz und was sollte ich ganz schnell wieder vergessen?

Viele der durchgeführten Studien zur Gen Y sind statistisch nicht belastbar

Wenn im Rahmen einer Studie eine Befragung durchgeführt wird – sagen wir eine Gruppe 25-Jähriger wird 2019 dazu befragt wie wichtig ihnen ihre Selbstverwirklichung ist – sind dies in der Regel punktuelle, einmalige Befragungen mit dieser einen Gruppe. Die Ergebnisse dieser Gruppe werden dann mit denen der anderen Gruppen anderen Alters verglichen und daraus werden die Generationenunterschiede abgeleitet. Dieselbe Gruppe wird aber nicht zu einem anderen Zeitpunkt nochmal befragt, auch gibt es in der Regel keinen Vergleich mit den Aussagen einer anderen Gruppe 25-Jähriger zu einem anderen Zeitpunkt.

Das heisst, was wir also nicht erfahren ist, ob die Antwort gegeben wurde,

  • weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt (2019) gestellt wurde (Periodeneffekt),
  • weil die Befragten ein bestimmtes Alter hatten zum Befragungszeitpunkt (25 Jahre) (Alterseffekt) oder
  • weil sie 1994 geboren wurden und damit einer bestimmten Kohorte angehören (Kohorteneffekt).

Die Kohorte und damit die Generation hängt also linear mit dem Jahr der Messung/ Periode und dem Alter zum Messzeitpunkt zusammen. Jeder Generationeneffekt ergibt sich somit aus einer Kombination von Perioden- und Alterseffekt. Bisher gibt es keine statistische Methode, die diese Effekte sauber trennen kann. Damit sind Studien, die mit Dummyvariablen arbeiten, statistisch gesehen nicht belastbar. Und es ist daher auch nicht verwunderlich, dass wir mit so vielen verschiedenen, teils gegensätzlichen Aussagen zur Generation Y konfrontiert werden und letztlich keine Metastudie zu signifikanten Ergebnissen kommt. Was können wir tun? Wir betrachten ausschließlich Längsschnittstudien. Studien, die mehrere Kohorten gleichen Alters zu mehreren Zeitpunkten zu denselben Themen befragen.

Das Ergebnis: In Langzeitstudien können keine Generationenunterschiede nachgewiesen werden.

Ich möchte nun nicht in einen wissenschaftlichen Monolog abdriften, Euch aber beispielhaft 2 recht neue Studien vorstellen, die sich genau mit dem Thema beschäftigen und uns daher sehr gut weiterhelfen:

Schröder: Der Generationenmythos, 2018

  • Die Studie basiert auf dem Sozio-Ökonomischen Panel (SOEP), das rund 580.000 Beobachtung und 80.000 Individuen enthält.
  • Untersucht wurden 18-25 jährige Jugendliche aus den Geburtskohorten von 1966 – 1991.
  • Die Jugendlichen wurden jeweils befragt wie wichtig ihnen unterschiedliche Variablen sind wie u.a. Selbstverwirklichung, Erfolg im Beruf oder Ehe & Partnerschaft.
  • These: Wenn es unterscheidbare Generationen gibt, müssten unterschiedlichen Kohorten unterscheidbare Einstellungen im Jugendalter aufweisen.
  • Ergebnis: Von den im Jahr 1966 geborenen 18-25 jährigen Befragten haben 37% angegeben, dass ihnen Selbstverwirklichung sehr wichtig ist. Bei denen im Jahr 1991 geborenen waren es 35%.
  • Fazit: Die These wird nicht belegt. Es sind kaum Unterschiede in der Einstellung oder den Lebenszielen erkennbar.

Kalleberg, Marsden: Work Values in the United States. Age, Period and Generational Differences, 2019

  • Die Studie aus den USA basiert auf dem General Social Survey + International Social Survey Program.
  • Seit 1972 jährliche oder zweijährliche Untersuchung von >18 Jährigen auf bestimmte soziale Indikatoren.
  • Fragestellung: Untersuchung inwiefern das Alter (Alterseffekt), der Zeitpunkt der Untersuchung (Periodeneffekt) und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation (Kohorteneffekt) Einstellungen in Bezug auf die Arbeit erklären können.
  • Ergebnis: Während 80% der jungen Arbeitnehmer im Alter von 18-25 Jahren weiterarbeiten würden, sollten sie so reich sein, dass sie es nicht mehr müssten, sind es im Alter von 60-65 Jahren nur rund 55%. Periodeneffekt erkennbar, aber deutlich geringer. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kohorte/ Generation hat so gut wie keinen Einfluss auf die Bedeutung von Arbeit – die Wahrscheinlichkeit weiterzuarbeiten liegt bei allen Kohorten bei rund 70%.
  • Fazit: Für keine der untersuchten Variablen ist ein Kohorteneffekt statistisch erkennbar. Wenn Unterschiede vorliegen, sind diese durch Alters- oder Periodeneffekte entstanden.

Mein Fazit zum Thema Generationen

Es ist nicht allein die Generation Y, die auf einmal völlig andere Vor- und Einstellungen hat und absurde Forderungen stellt. Änderungen, die sichtbar sind, basieren auf einem Einstellungswandel, der alle Generationen umfasst. Dies sind vielmehr Wünsche, die jeder hat. Es sind aber die Jungen, die sie einfordern und leben. Die nach 4-Tage Woche, Sabbatical und flexiblen Arbeitszeiten fragen. Und das eben nicht erst mit Mitte 50 nach gemachter Karriere, sondern direkt von an Anbeginn an. Im Zweifel auch im ersten Vorstellungsgespräch.

Das ist ungewohnt und mag sich für manche Baby Boomer auch nicht richtig anfühlen. Schließlich musste man selbst auch die eine oder andere Kröte schlucken und vieles hart erarbeiten. Da liegt es nahe, von frechen, überzogenen Erwartungen zu sprechen. Aus meiner Sicht liegt darin jedoch eine großartige Chance. Lasst uns die Forderungen für einen Moment als treibende Kraft und Impulsgeber zur Veränderung unserer Arbeitswelt sehen. Eine, die dazu führt, dass sich auf Dauer für alle etwas ändert. Mehr Selbstbestimmung, größere Flexibilität, größere Produktivität, wenn sich jeder mit seinen Kompetenzen voll einbringen kann. Dann fühlt sich das Ganze direkt schon ganz anders an, oder?

 

Dies ist ein Beitrag von Anna-Leena Haarkamp - Digital Native, Organisatorin unserer Learning Journeys & Expertin für Digitale Transformation